„Diese Geschichte hat mein Vater erzählt“, sagt Anna Berlisow und erinnert sich an die Abende im Winter, wo solche Geschichten die langen Winternächte verkürzten.
Ihr Vater war nicht reich. Die meisten Menschen entlang der Grenze zu Tschechien waren nicht mit Reichtum gesegnet. Nicht einmal eine Kuh hatte er in seinem Stall stehen.
Er war gerade in Sankt Oswald unterwegs. Von dort machte er sich nach Beendigung seiner Geschäfte auf den Heimweg nach Haslach. Während er in sich versunken so vor sich hin ging, fiel ihm am Wegrand ein Rübenacker auf – dicke, feste Rüben. „Da muss ich mir welche holen! Heute Nacht, wenn es finster wird, komme ich nochmal hierher, ziehe Rüben aus und bringe sie nach Hause. Dann kommt wenigstens ein wenig Abwechslung in die Küche!“
Er ließ sich von dieser Idee nicht mehr abbringen. Kaum war es ordentlich finster, machte er sich auf den Weg. Am Acker angelangt, sah er sich um, um sich zu vergewissern, dass niemand ihn beobachtete. Er bückte sich, um die erste Rübe aus der Erde zu ziehen. Dazu kam er jedoch nicht – im selben Augenblick prasselte es von allen Seiten auf ihn ein. Von überall her flogen Rüben auf ihn zu – doch niemand war zu sehen. Unsichtbare Geisterhände bewarfen ihn mit einer solchen Wucht, dass er sich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte. Vor Angst hatte er sogar vergessen, laut zu schreien. Erst als er ein wenig Kraft in seinen Beinen verspürte, begann er zu laufen, immer schneller und schneller und er lief so lange, bis ihn keine Rüben mehr trafen und er sich in Sicherheit wähnte.
Mit rechten Dingen ist es da nicht zugegangen und man erinnerte sich nach diesem Vorfall schnell wieder an die Erzählungen der „Altvorderen“, die immer und immer davon gesprochen haben, dass dieser Acker „verwunschen“ sei. Aus diesem Grund sei dort auch ein Kreuz aufgestellt worden, um den Geistern Einhalt zu gebieten.
(Haslach, Gemeinde Sankt Oswald, Landkreis Freyung-Grafenau.
Gewährsperson: Anna Berlisow, Haslach, geb. 1011.1919, gest. 02.03.2011.
Aufgezeichnet und ausgearbeitet: Karl-Heinz Reimeier)