Das „Hausinger Licht“

Ganz besonders interessant wird eine unerklärliche Geschichte dann, wenn sie von einem „geistlichen Herrn“ erzählt wird, nach eigenem Erleben oder wenn er die Geschichte sogar in der Pfarrchronik festschreibt. So geschehen bei der Geschichte von der Ortschaft „Haus im Wald“, die aufgeschrieben wurde vom Hochwürden Pfarrer Franz Leeb. Dieser ist im Jahre 1880 als erster Pfarrer überhaupt nach Haus im Wald gekommen. 1901, also 21 Jahre später, hat er dann seine Erlebnisse in der Chronik festgehalten.

Als ich im Jahre 1880 nach Haus im Wald kam, so schreibt er, habe ich da und dort immer wieder von einem „Licht“ reden gehört. Und wenn ich nachgefragt habe, was das bedeuten soll, dann haben die Leute folgendes erzählt:

Seit mehr als 30, vielleicht sogar 50 Jahren – also seit ungefähr 1830 – kann man im Tal zwischen Haus im Wald und Furth ein helles Licht sehen, das sich hin und her bewegt, mal ganz schnell, dann wieder ganz langsam, mal ganz weit oben steht, dann wieder ganz weit unten. Es kommt oft bis in die Gegend des heutigen Friedhofs und manchmal fliegt es sogar noch weit darüber hinaus.

Sehen kann man das Licht nach fünf Uhr abends und oft bis spät in die Nacht hinein. Die Erscheinung dauert von Allerseelen bis Lichtmess am 2. Februar des nächsten Jahres. Sehen können dieses Licht aber nicht alle Leute. Von zwei Leuten, die miteinander gehen, kann es oft nur einer sehen, der andere aber nicht.

So wurde die Geschichte erzählt. Ich als junger Pfarrer war natürlich gespannt, ob ich dieses Licht auch irgendwann einmal zu Gesicht bekommen werde.

Und tatsächlich – ich sehe es zum ersten Mal im November 1881 gegen acht Uhr abends. Es war eine trockene Nacht, eine kalte Nacht, daran kann ich mich noch gut erinnern. Das Licht ist stehen geblieben, da, wo sich jetzt der Friedhof befindet. Ausgesehen hat es wie ein faustgroßer Gasball, der sehr hell geleuchtet hat. Und plötzlich war das Licht wieder verschwunden.

Gegen Weihnachten desselben Jahres gehe ich so gegen 19.00 Uhr abends mit den beiden Lehrern Asbert und Bienmeier von Furth nach Haus im Wald. Wir gehen gerade oben auf der Ebene, da sehen wir rechts vor uns in ziemlicher Entfernung ein Licht. Wir bleiben sofort stehen und schauen ganz genau zu dem Licht hin. Ich habe das Licht beschworen: „Wenn du kein natürliches Licht bist, dann komm her zu mir!“ Schon erhob sich das Licht senkrecht in die Höhe, flog direkt auf uns zu, aber nur etwa den halben Weg, dann streckte es sich und verschwand drunten im Tal. Die zwei Lehrer waren so erschrocken, dass sie nicht mehr wussten, was sie sagen sollten. Ich selbst habe mich nicht gefürchtet, aber überrascht war ich auch sehr.

Ein Jahr später – 1882 – das Fest des „süßen Namen Jesu“ steht im Kalender. Am Tag vor diesem Fest, es ging schon auf den Abend zu, so gegen 18.00 Uhr, gehe ich – diesmal ganz alleine – wieder von Furth nach Haus im Wald. Finster ist es schon geworden und es herrschte große Stille um mich herum. Da – plötzlich! – ganz nah: das Licht! Ich stehe auf dem Vorplatz des Friedhof, nehme meinen ganzen Mut zusammen und beschwöre das Licht mit allem Ernst und Nachdruck: „Wenn du kein natürliches Licht bist, sondern etwas Anderes, dann komm her zu mir – wenigstens bis zum Abstand von fünf Schritten!“ Nichts! Ich sage es nochmal: „Wenn du kein natürliches Licht bist, sondern etwas Anderes, dann komme her zu mir auf fünf Schritte!“ – Wieder nichts! Ich warte eine gewisse Zeit und wollte schon aufgeben. Doch ich hatte keine Ruhe und ich probierte es ein drittes Mal. Und jetzt – auf einmal:

Das Licht flog direkt auf mich zu. Es ist sehr, sehr schnell geflogen. Dann hat es sich in die Luft bewegt, ist über alle Stauden, Bäume und Hügel hinweg geflogen und zwar in einer Linie, pfeilgerade, ohne einmal von seiner Linie abzuweichen. Je näher es zu mir gekommen ist, umso größer ist es geworden und zuletzt hat es geleuchtet wie eine glühende Feuerkugel. Als es dann ganz nahe bei mir war, ist es mir eiskalt über den Rücken hinunter gelaufen und ich habe schon gemeint, dass sich meine Haare aufgerichtet hätten. Aber gefürchtet habe ich mich nicht. Ich habe nur immer gesagt: „Komm nur, trau dich, komm nur her zu mir!“

Als es dann in meiner Nähe war, ist es immer langsamer geworden, ist immer niedriger geflogen und dann, soweit ich im Finstern schätzen konnte, hat es sich ungefähr 20 Schritte vor mir auf die Ecksäule des Friedhofs gesetzt. Und wieder habe ich versucht, es anzureden: „Wenn du nicht zu mir herkommst, dann gehe ich zu dir hin!“ Und ich bin losgegangen. Als ich aber anfing, zu gehen, ist das Licht vor mir zurückgewichen. Und als ich stehen blieb, ist das Licht auch stehen geblieben. Und als ich wieder ging, ist das Licht wieder zurück gewichen. Dann machte ich einen schnellen Schritt – da schnellt das Licht wie der Blitz in die Höhe, schlägt ein paar kurze Haken und verschwindet drunten im Tal.

Natürlich habe ich das, was ich mit dem Licht erlebt hat, im Wirtshaus erzählt oder bei gastfreundlichen Leuten in der Wohnstube. Endlich dann, nach 21 Jahren, 1901, habe ich mich hingesetzt und die Geschichte in die Pfarrchronik geschrieben. Und – seit diesem Zeitpunkt ist das Licht nicht mehr gesehen worden.

Für die Richtigkeit und Wahrheit, so schreibt Pfarrer Franz Leeb, kann ich mit Ehre und Gewissen eintreten, aber eine Erklärung kann ich selbstverständlich auch nicht abgeben. Ich kann nur sagen: das habe ich gesehen und das ist mir begegnet – mehr weiß ich nicht. Mag sich das jeder erklären, wie er kann und mag.

Interessant ist die Information, die Pfarrer Franz Leeb der Vollständigkeit halber noch dazu gibt: Eine alte Ortsüberlieferung sagt, dass in Furth ein Bauer vor Zeiten eine Magd geschwängert und anschließen getötet hat. Auf dem Mistwagen hat er sie weggebracht und in einem kleinen Gehölz vergraben.

Tat sache ist, dass dieses Haus seit mehreren Generationen keinen Kindersegen mehr hatte: Fluch usque tertiam et quartem generationem (Fluch bis in die dritte und vierte Generation) – so schreibt er in seiner Chronik. Und wenn Kinder auf die Welt gekommen sind, dann sind sie bald darauf wieder gestorben, so dass das Haus schon mehrmals die Besitzer gewechselt hat. Erst der jetzige Besitzer, also der in der Zeit um 1901, hat reichen und anhaltenden Kindersegen. Das heißt, der alte Fluch ist mit dem Aufschreiben gebrochen.

Informationen zu den Ortschaften „Haus i. Wald“ und „Furth“

„Haus im Wald“ ist ein Ortsteil der Stadt Grafenau im Landkreis Freyung-Grafenau. Haus i. Wald ist eine Hofmark und hat sich rund um das Schloss, das im 13. Jahrhundert erbaut wurde, entwickelt. In unmittelbarer Nähe fließt das Flüsschen „Ilz“ vorbei. Die Ilz besitzt einen seichten Übergang, eine sog. „Furt“, nach der das Schloss seinen ursprünglichen Namen „Veste Vurt“ erhalten hatte, woraus sich auch der Ortsname für die Ortschaft „Furth“ entwickelte.

Das Schloss brannte im Jahre 1510 ab, wurde 40 Jahre später wieder aufgebaut. Wie in der Geschichte erwähnt, wurde im Jahre 1880 die Expositur „Haus „ gebildet und mit dem ersten Pfarrer Franz Leeb besetzt.